Einkaufslexikon
Prozesskostenrechnung: Definition, Methoden und Anwendung im Einkauf
November 19, 2025
Die Prozesskostenrechnung ist ein modernes Kostenrechnungsverfahren, das Kosten verursachungsgerecht auf Aktivitäten und Prozesse verteilt. Im Einkauf ermöglicht sie eine präzise Analyse der tatsächlichen Beschaffungskosten und deckt versteckte Kostentreiber auf. Erfahren Sie im Folgenden, was Prozesskostenrechnung ist, welche Methoden angewendet werden und wie sie strategische Einkaufsentscheidungen unterstützt.
Key Facts
- Verteilt Gemeinkosten verursachungsgerecht auf Aktivitäten und Kostentreiber
- Ermöglicht transparente Darstellung der wahren Beschaffungskosten
- Unterstützt Make-or-Buy-Entscheidungen durch präzise Kostenanalyse
- Identifiziert ineffiziente Prozesse und Optimierungspotenziale
- Basis für strategische Lieferantenbewertung und Preisverhandlungen
Inhalt
Definition: Prozesskostenrechnung – Erklärung und Grundlagen
Die Prozesskostenrechnung ordnet Kosten nicht nach traditionellen Kostenstellen, sondern nach tatsächlichen Geschäftsprozessen und deren Kostentreibern zu.
Grundprinzipien der Prozesskostenrechnung
Das Verfahren basiert auf der Erkenntnis, dass Produkte und Dienstleistungen Ressourcen durch Aktivitäten verbrauchen. Dabei werden zunächst Hauptprozesse identifiziert und deren Kostentreiber bestimmt. Anschließend erfolgt die Zuordnung der Gemeinkosten über diese Kostentreiber auf die Kostenträger.
- Aktivitätsorientierte Kostenverteilung
- Verursachungsgerechte Zuordnung
- Transparente Kostendarstellung
Prozesskostenrechnung vs. traditionelle Kostenrechnung
Im Gegensatz zur klassischen Vollkostenrechnung mit pauschalen Zuschlagssätzen erfasst die Prozesskostenrechnung die tatsächliche Inanspruchnahme von Ressourcen. Dies führt zu genaueren Kalkulationen, insbesondere bei komplexen Beschaffungsprozessen mit unterschiedlichen Bearbeitungsintensitäten.
Bedeutung der Prozesskostenrechnung im Einkauf
Für den Einkauf bietet die Prozesskostenrechnung entscheidende Vorteile bei der Total Cost of Ownership-Betrachtung. Sie ermöglicht eine differenzierte Bewertung von Lieferanten und unterstützt das Beschaffungscontrolling durch präzise Kostentransparenz.
Methoden und Vorgehensweisen
Die Implementierung der Prozesskostenrechnung erfolgt systematisch in mehreren Phasen, beginnend mit der Prozessanalyse bis zur operativen Anwendung.
Prozessidentifikation und -analyse
Der erste Schritt umfasst die detaillierte Erfassung aller Beschaffungsprozesse. Dabei werden Hauptprozesse wie Lieferantenauswahl, Bestellabwicklung und Wareneingang analysiert. Für jeden Prozess werden die benötigten Ressourcen und deren Kostentreiber ermittelt.
- Mapping der Beschaffungsprozesse
- Identifikation von Kostentreibern
- Ressourcenverbrauchsanalyse
Kostentreiber-Bestimmung und Messung
Kostentreiber sind messbare Größen, die den Ressourcenverbrauch eines Prozesses bestimmen. Im Einkauf können dies Anzahl Bestellungen, Lieferantenkontakte oder Prüfvorgänge sein. Die Kostentreiberanalyse bildet das Fundament für die verursachungsgerechte Kostenverteilung.
Implementierung und Integration
Die praktische Umsetzung erfordert die Integration in bestehende Controlling-Systeme. Dabei werden Kostensätze pro Kostentreiber-Einheit berechnet und regelmäßig aktualisiert. Die Prozesskosten werden transparent auf Kostenträger verteilt.

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Wichtige KPIs für Prozesskostenrechnungen
Spezifische Kennzahlen ermöglichen die Bewertung der Effektivität und den kontinuierlichen Verbesserungsprozess der Prozesskostenrechnung.
Kostengenauigkeit und Abweichungsanalyse
Die Genauigkeit der Kostenverteilung wird durch Vergleich von Plan- und Ist-Kosten gemessen. Abweichungen zeigen Optimierungsbedarf bei Kostentreibern oder Prozessdefinitionen auf. Ein Soll-Ist-Vergleich sollte regelmäßig durchgeführt werden.
- Kostenabweichung in Prozent
- Genauigkeit der Kostentreiber-Zuordnung
- Planungsqualität der Prozesskostensätze
Prozesseffizienz-Kennzahlen
Kostensätze pro Kostentreiber-Einheit zeigen die Effizienz einzelner Beschaffungsprozesse. Benchmarking zwischen verschiedenen Bereichen oder Zeiträumen identifiziert Verbesserungspotenziale. Die Entwicklung der Bestellkosten pro Transaktion ist ein wichtiger Indikator.
ROI der Prozesskostenrechnung
Der Return on Investment misst den Nutzen der Prozesskostenrechnung im Verhältnis zu den Implementierungskosten. Einsparungen durch bessere Entscheidungen und Prozessoptimierungen werden den Systemkosten gegenübergestellt. Typische Amortisationszeiten liegen zwischen 12 und 24 Monaten.
Risiken, Abhängigkeiten und Gegenmaßnahmen
Die Einführung der Prozesskostenrechnung birgt spezifische Herausforderungen, die durch geeignete Maßnahmen minimiert werden können.
Komplexität und Implementierungsaufwand
Die detaillierte Prozessanalyse und Kostentreiber-Bestimmung erfordert erhebliche Ressourcen. Unternehmen unterschätzen häufig den Aufwand für Datensammlung und Systemanpassungen. Eine schrittweise Einführung beginnend mit kritischen Prozessen reduziert das Risiko von Überforderung.
Datenqualität und -verfügbarkeit
Ungenaue oder unvollständige Daten führen zu fehlerhaften Kostenverteilungen. Besonders bei der Kosten-Nutzen-Analyse können falsche Grundlagen zu Fehlentscheidungen führen. Regelmäßige Datenvalidierung und klare Erfassungsrichtlinien sind essentiell.
- Kontinuierliche Datenprüfung
- Standardisierte Erfassungsprozesse
- Schulung der Mitarbeiter
Akzeptanz und Change Management
Widerstand gegen neue Kostenrechnungsverfahren kann die Einführung gefährden. Transparente Kommunikation der Vorteile und intensive Schulungen fördern die Akzeptanz. Die Integration in bestehende Budgetierungsprozesse sollte behutsam erfolgen.
Praxisbeispiel
Ein Maschinenbauunternehmen implementierte Prozesskostenrechnung für die Bewertung von zwei Lieferanten für Standardteile. Lieferant A bot niedrigere Einstandspreise, verursachte jedoch durch häufige Qualitätsprobleme höhere Prüf- und Nacharbeitskosten. Die Prozesskostenrechnung zeigte, dass die wahren Beschaffungskosten bei Lieferant A um 15% höher lagen als bei Lieferant B. Durch die transparente Kostendarstellung konnte eine fundierte Lieferantenentscheidung getroffen werden.
- Vollständige Erfassung aller Prozesskosten
- Vergleichbare Kostenbasis für Lieferantenbewertung
- Strategische Entscheidung basierend auf Gesamtkosten
Aktuelle Entwicklungen und Auswirkungen
Die Digitalisierung und der Einsatz von KI-Technologien revolutionieren die Anwendung der Prozesskostenrechnung im modernen Einkauf.
Digitale Transformation der Kostenerfassung
Moderne ERP-Systeme und Business Intelligence-Tools ermöglichen eine automatisierte Erfassung von Kostentreibern in Echtzeit. Dies reduziert den manuellen Aufwand erheblich und erhöht die Genauigkeit der Kostenverteilung. Integrierte Dashboards bieten kontinuierliche Transparenz über Prozesskostenentwicklungen.
KI-gestützte Kostenanalyse
Künstliche Intelligenz unterstützt bei der Identifikation versteckter Kostentreiber und der Vorhersage von Kostenentwicklungen. Machine Learning-Algorithmen analysieren große Datenmengen und erkennen Muster, die für das Einkaufscontrolling wertvoll sind. Predictive Analytics ermöglicht proaktive Kostensteuerung.
Integration in strategische Beschaffung
Die Prozesskostenrechnung wird zunehmend in strategische Entscheidungsprozesse eingebunden. Sie unterstützt Should-Costing-Ansätze und ermöglicht datenbasierte Verhandlungsstrategien. Die Verknüpfung mit Savings-Programmen schafft messbare Mehrwerte.
Fazit
Die Prozesskostenrechnung ist ein unverzichtbares Instrument für moderne Einkaufsorganisationen, die Kostentransparenz und fundierte Entscheidungen anstreben. Sie deckt versteckte Kostentreiber auf und ermöglicht verursachungsgerechte Kostenverteilung. Trotz des initialen Implementierungsaufwands überwiegen die langfristigen Vorteile durch präzisere Kalkulationen und strategische Entscheidungsunterstützung. Die Integration digitaler Technologien wird die Anwendung weiter vereinfachen und den Nutzen maximieren.
FAQ
Was unterscheidet Prozesskostenrechnung von traditioneller Kostenrechnung?
Die Prozesskostenrechnung verteilt Gemeinkosten verursachungsgerecht über Aktivitäten und Kostentreiber, während traditionelle Verfahren pauschale Zuschlagssätze verwenden. Dies führt zu genaueren Kalkulationen, besonders bei komplexen oder unterschiedlich aufwändigen Beschaffungsprozessen.
Welche Kostentreiber sind im Einkauf relevant?
Typische Kostentreiber sind Anzahl Bestellungen, Lieferantenkontakte, Prüfvorgänge, Reklamationsbearbeitungen oder Vertragsverhandlungen. Die Auswahl hängt von den spezifischen Beschaffungsprozessen und deren Ressourcenverbrauch ab. Eine detaillierte Prozessanalyse identifiziert die relevanten Treiber.
Wie hoch ist der Implementierungsaufwand?
Der Aufwand variiert je nach Unternehmensgröße und Komplexität der Beschaffungsprozesse. Typischerweise sind 6-12 Monate für die vollständige Einführung einzuplanen. Eine schrittweise Implementierung beginnend mit kritischen Prozessen reduziert Risiken und ermöglicht frühzeitige Erfolge.
Welche Vorteile bietet Prozesskostenrechnung für Einkaufsentscheidungen?
Sie ermöglicht präzise Total Cost of Ownership-Analysen, fundierte Make-or-Buy-Entscheidungen und transparente Lieferantenbewertungen. Versteckte Kostentreiber werden sichtbar, was zu besseren Verhandlungspositionen und strategischen Beschaffungsentscheidungen führt.



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