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Einkaufslexikon

Prozessfähigkeit: Kennzahl zur Bewertung der Lieferantenqualität

November 19, 2025

Prozessfähigkeit ist eine statistische Kennzahl, die misst, wie gut ein Fertigungsprozess die geforderten Spezifikationen erfüllt. Im Einkauf dient sie als entscheidendes Kriterium für die Lieferantenbewertung und Qualitätssicherung. Erfahren Sie im Folgenden, was Prozessfähigkeit bedeutet, wie sie berechnet wird und welche strategische Rolle sie in der Beschaffung spielt.

Key Facts

  • Cpk-Werte über 1,33 gelten als ausreichend prozessfähig für die meisten Anwendungen
  • Die Kennzahl berücksichtigt sowohl Streuung als auch Zentrierung des Prozesses
  • Prozessfähigkeitsstudien erfordern mindestens 100 aufeinanderfolgende Messwerte
  • Unterscheidung zwischen kurzfristiger (Cp/Cpk) und langfristiger (Pp/Ppk) Prozessfähigkeit
  • Wesentlicher Bestandteil der Lieferantenqualifizierung und Serienfreigabe

Inhalt

Definition und Bedeutung von Prozessfähigkeit

Prozessfähigkeit quantifiziert die Fähigkeit eines Fertigungsprozesses, Produkte innerhalb der vorgegebenen Toleranzgrenzen zu produzieren.

Grundlegende Kennzahlen und Interpretation

Die wichtigsten Prozessfähigkeitsindizes sind Cp, Cpk, Pp und Ppk. Während Cp nur die Streuung betrachtet, berücksichtigt Cpk die Prozesszentrierung zusätzlich. Pp und Ppk bewerten die langfristige Leistungsfähigkeit über längere Zeiträume.

Prozessfähigkeit vs. Maschinenfähigkeit

Maschinenfähigkeit misst die kurzfristige Variabilität unter idealen Bedingungen, während Prozessfähigkeit alle Einflüsse des Produktionsumfelds einbezieht. Diese Unterscheidung ist für realistische Lieferantenbewertungen entscheidend.

Bedeutung von Prozessfähigkeit im Einkauf

Im Beschaffungsmanagement dient Prozessfähigkeit als objektives Kriterium für Lieferantenauswahl und -bewertung. Sie ermöglicht die Vorhersage von Qualitätsproblemen und unterstützt bei der Festlegung von Qualitätsvereinbarungen mit Lieferanten.

Messung, Datenbasis und Berechnung

Die Ermittlung der Prozessfähigkeit erfordert systematische Datenerhebung und statistische Auswertung nach definierten Verfahren.

Datensammlung und Stichprobenumfang

Für aussagekräftige Prozessfähigkeitsstudien sind mindestens 100 aufeinanderfolgende Messwerte erforderlich. Die Daten müssen unter normalen Produktionsbedingungen erhoben werden, um realistische Ergebnisse zu erzielen. Messsystemanalysen stellen sicher, dass die Messungen selbst ausreichend genau sind.

Berechnungsformeln und Grenzwerte

Cpk wird als Minimum von (OSG-Mittelwert)/(3×Standardabweichung) und (Mittelwert-USG)/(3×Standardabweichung) berechnet. Werte über 1,33 gelten als prozessfähig, über 1,67 als sehr gut. Die Berechnung setzt normalverteilte Daten voraus.

Softwaretools und Automatisierung

Moderne SPC-Systeme berechnen Prozessfähigkeitsindizes automatisch und visualisieren Trends. Integration in ERP-Systeme ermöglicht kontinuierliche Überwachung der Lieferantenleistung.

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Interpretation und Zielwerte für die Prozessfähigkeit

Die richtige Interpretation von Prozessfähigkeitskennzahlen ist entscheidend für fundierte Lieferantenentscheidungen.

Branchenspezifische Anforderungen

Automobilindustrie fordert typischerweise Cpk ≥ 1,33, Luftfahrt oft Cpk ≥ 1,67. Medizintechnik und Pharmazie haben noch strengere Anforderungen. Die Festlegung angemessener Zielwerte hängt von Sicherheitsrisiken und Kosten-Nutzen-Verhältnissen ab.

Kontinuierliche Überwachung und Trends

Prozessfähigkeitswerte müssen regelmäßig aktualisiert werden, da sich Prozesse über Zeit verändern. Trendanalysen zeigen Verschlechterungen frühzeitig auf. Quality Gates definieren Mindestanforderungen für verschiedene Projektphasen.

Benchmarking und Lieferantenvergleich

Prozessfähigkeitsdaten ermöglichen objektive Lieferantenvergleiche und Benchmarking. Relative Bewertungen berücksichtigen Produktkomplexität und Fertigungsverfahren. Scorecards integrieren Prozessfähigkeit in umfassende Lieferantenbewertungssysteme.

Messrisiken und Bias bei Prozessfähigkeit

Fehlinterpretationen von Prozessfähigkeitsdaten können zu falschen Lieferantenbewertungen und Qualitätsproblemen führen.

Statistische Voraussetzungen und Grenzen

Prozessfähigkeitsindizes setzen normalverteilte und stabile Prozesse voraus. Bei nicht-normalverteilten Daten oder instabilen Prozessen führen Standardberechnungen zu falschen Ergebnissen. Regelkarten müssen vor Prozessfähigkeitsstudien die Prozessstabilität bestätigen.

Messsystemfehler und Verzerrungen

Ungeeignete Messsysteme können Prozessfähigkeitswerte verfälschen. Systematische Messfehler, unzureichende Auflösung oder Drift der Messgeräte beeinflussen die Ergebnisse erheblich. Regelmäßige Gage R&R-Studien sind daher unverzichtbar.

Fehlinterpretation und Managementfehler

Kurzfristige Prozessfähigkeitswerte können langfristige Leistung nicht vorhersagen. Einseitige Fokussierung auf Cpk-Werte ohne Berücksichtigung der Prozessstabilität führt zu falschen Schlüssen. Unzureichende Stichprobengrößen oder selektive Datenauswahl verzerren die Bewertung.

Prozessfähigkeit: Definition, Berechnung und Anwendung im Einkauf

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Praxisbeispiel

Ein Automobilzulieferer produziert Bremsscheiben mit einer kritischen Dickentoleranz von 25,0 ± 0,1 mm. Die Prozessfähigkeitsstudie über 125 Messwerte ergibt einen Mittelwert von 25,02 mm und eine Standardabweichung von 0,025 mm. Der berechnete Cpk-Wert von 1,07 liegt unter der geforderten Mindestanforderung von 1,33. Der Einkauf initiiert gemeinsam mit dem Lieferanten Verbesserungsmaßnahmen zur Prozesszentrierung und Streuungsreduzierung.

  • Ursachenanalyse mittels Ishikawa-Diagramm
  • Implementierung statistischer Prozessregelung
  • Nachqualifizierung nach Prozessverbesserung

Aktuelle Entwicklungen und Auswirkungen

Digitalisierung und künstliche Intelligenz verändern die Anwendung von Prozessfähigkeitsanalysen grundlegend.

KI-gestützte Prozessoptimierung

Künstliche Intelligenz ermöglicht die Echtzeitanalyse von Prozessdaten und die Vorhersage von Qualitätsproblemen. Machine Learning-Algorithmen erkennen Muster in komplexen Datensätzen und optimieren Prozessparameter automatisch. Dies führt zu höherer Prozessstabilität und reduzierten Ausschussraten.

Industrie 4.0 und Vernetzung

Vernetzte Produktionssysteme liefern kontinuierliche Datenströme für Prozessfähigkeitsanalysen. IoT-Sensoren erfassen Prozessparameter in Echtzeit und ermöglichen präventive Qualitätsmaßnahmen. Rückverfolgbarkeit wird durch digitale Zwillinge und Blockchain-Technologie verbessert.

Erweiterte Analysemethoden

Multivariate Prozessfähigkeitsanalysen berücksichtigen Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Qualitätsmerkmalen. Neue statistische Verfahren wie Six Sigma und Design of Experiments erweitern die klassischen Ansätze um systematische Prozessverbesserung.

Fazit

Prozessfähigkeit ist eine unverzichtbare Kennzahl für die objektive Bewertung von Lieferantenqualität und Prozessstabilität. Sie ermöglicht datenbasierte Entscheidungen in der Beschaffung und trägt zur Risikominimierung bei. Die kontinuierliche Überwachung und richtige Interpretation von Prozessfähigkeitsdaten sind entscheidend für nachhaltigen Beschaffungserfolg. Moderne digitale Tools erweitern die Anwendungsmöglichkeiten und verbessern die Prognosefähigkeit erheblich.

FAQ

Was ist der Unterschied zwischen Cp und Cpk?

Cp misst nur die Prozessstreuung im Verhältnis zur Toleranz, während Cpk zusätzlich die Zentrierung des Prozesses berücksichtigt. Cpk ist immer kleiner oder gleich Cp und gibt die tatsächliche Prozessfähigkeit realistischer wieder, da auch die Lage des Prozessmittelwerts einbezogen wird.

Welche Mindest-Cpk-Werte sind in der Praxis üblich?

In der Automobilindustrie gelten Cpk-Werte von 1,33 als Mindestanforderung, 1,67 als gut. Kritische Sicherheitsteile erfordern oft Cpk ≥ 2,0. Die Anforderungen variieren je nach Branche, Bauteilkritikalität und Kundenspezifikationen.

Wie oft sollten Prozessfähigkeitsstudien wiederholt werden?

Initial bei Serienanlauf, dann mindestens jährlich oder bei signifikanten Prozessänderungen. Bei kritischen Prozessen sind quartalsweise Überprüfungen sinnvoll. Kontinuierliche SPC-Überwachung ergänzt periodische Studien und zeigt Trends frühzeitig auf.

Was tun bei unzureichender Prozessfähigkeit?

Zunächst Ursachenanalyse durchführen, dann gezielte Verbesserungsmaßnahmen implementieren. Mögliche Ansätze sind Prozessoptimierung, Toleranzerweiterung oder alternative Fertigungsverfahren. Bei Lieferanten sind Entwicklungspläne und Nachqualifizierungen erforderlich.

Prozessfähigkeit: Definition, Berechnung und Anwendung im Einkauf

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