Einkaufslexikon
Materialklassen: Systematische Kategorisierung für strategischen Einkauf
November 19, 2025
Materialklassen bilden das Fundament einer strukturierten Beschaffungsstrategie und ermöglichen die systematische Kategorisierung von Gütern nach verschiedenen Kriterien. Diese Klassifizierung unterstützt Einkaufsorganisationen dabei, spezifische Beschaffungsstrategien zu entwickeln und Ressourcen optimal zu allokieren. Erfahren Sie im Folgenden, was Materialklassen sind, welche Methoden zur Klassifizierung existieren und wie Sie diese strategisch im Einkauf einsetzen.
Key Facts
- Materialklassen strukturieren das gesamte Beschaffungsportfolio nach strategischen Gesichtspunkten
- Klassische Kategorien umfassen A-, B- und C-Materialien sowie strategische, Hebel-, Engpass- und unkritische Materialien
- Die Klassifizierung erfolgt anhand von Kriterien wie Beschaffungsvolumen, Marktrisiko und Versorgungssicherheit
- Jede Materialklasse erfordert spezifische Beschaffungsstrategien und Lieferantenmanagement-Ansätze
- Digitale Tools ermöglichen heute eine automatisierte und datenbasierte Klassifizierung
Inhalt
Definition: Materialklassen
Materialklassen sind systematische Kategorisierungen von Beschaffungsobjekten, die eine strategische Steuerung des Einkaufs ermöglichen.
Grundlegende Klassifizierungsansätze
Die ABC-Analyse bildet den klassischen Ansatz zur Materialklassifizierung. Dabei werden Materialien nach ihrem Wertanteil am Gesamtbeschaffungsvolumen kategorisiert:
- A-Materialien: 70-80% des Beschaffungswertes bei 10-20% der Positionen
- B-Materialien: 15-25% des Wertes bei 20-30% der Positionen
- C-Materialien: 5-10% des Wertes bei 50-70% der Positionen
Materialklassen vs. Materialgruppen
Während Materialgruppen primär nach funktionalen oder technischen Eigenschaften unterscheiden, fokussieren sich Materialklassen auf strategische Beschaffungsaspekte. Die Materialwirtschaft nutzt beide Ansätze komplementär für eine ganzheitliche Steuerung.
Bedeutung von Materialklassen im Einkauf
Materialklassen ermöglichen eine differenzierte Beschaffungsstrategie und optimieren den Ressourceneinsatz. Sie bilden die Grundlage für strategische Entscheidungen in der Lieferantenauswahl und Vertragsgestaltung.
Methoden und Vorgehensweisen
Die Klassifizierung von Materialien erfolgt durch verschiedene bewährte Methoden, die je nach Unternehmensstrategie kombiniert werden können.
Kraljic-Portfolio-Matrix
Diese Methode klassifiziert Materialien anhand zweier Dimensionen: Beschaffungsvolumen und Versorgungsrisiko. Daraus ergeben sich vier strategische Materialklassen:
- Strategische Materialien: Hoher Wert, hohes Risiko
- Hebelmaterialien: Hoher Wert, niedriges Risiko
- Engpassmaterialien: Niedriger Wert, hohes Risiko
- Unkritische Materialien: Niedriger Wert, niedriges Risiko
Multi-Kriterien-Analyse
Moderne Ansätze berücksichtigen zusätzliche Faktoren wie Technologiekomplexität, Lieferantenverfügbarkeit und Nachhaltigkeitsaspekte. Die Bedarfsanalyse liefert dabei wichtige Grundlagendaten für die Klassifizierung.
Datenbasierte Klassifizierung
Digitale Systeme ermöglichen eine kontinuierliche Neubewertung basierend auf aktuellen Marktdaten und Verbrauchsmustern. Die Marktanalyse unterstützt dabei die dynamische Anpassung der Klassifizierung.

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Kennzahlen zur Steuerung von Materialklassen
Effektive Kennzahlen ermöglichen die kontinuierliche Überwachung und Optimierung der Materialklassifizierung.
Klassifizierungsgenauigkeit
Die Trefferquote der Klassifizierung wird durch den Anteil korrekt eingeordneter Materialien gemessen. Diese Kennzahl sollte regelmäßig überprüft und bei Abweichungen korrigiert werden:
- Zielwert: >95% korrekte Klassifizierung
- Messintervall: Quartalsweise Überprüfung
- Korrekturmaßnahmen bei Unterschreitung
Strategiekonformität nach Materialklassen
Der Anteil der Beschaffungsaktivitäten, die der definierten Klassenstrategie entsprechen, zeigt die Umsetzungsqualität. Eine hohe Richtlinien-Compliance im Einkauf ist dabei entscheidend für den Erfolg.
Kosteneffizienz pro Materialklasse
Die Entwicklung der Beschaffungskosten je Materialklasse im Zeitvergleich zeigt die Wirksamkeit der klassenspezifischen Strategien. Benchmarking im Einkauf unterstützt dabei die Bewertung der Performance.
Risikofaktoren und Kontrollen bei Materialklassen
Eine unzureichende oder veraltete Materialklassifizierung kann zu suboptimalen Beschaffungsentscheidungen und erhöhten Kosten führen.
Fehlklassifizierung und Konsequenzen
Falsche Einordnungen führen zu inadäquaten Beschaffungsstrategien und können sowohl Über- als auch Unterversorgung verursachen. Regelmäßige Überprüfungen der Klassifizierung sind daher essentiell für eine effektive Versorgungssicherheit.
Statische Klassifizierungsmodelle
Veraltete Klassifizierungen berücksichtigen keine Marktveränderungen oder neue Risikofaktoren. Eine kontinuierliche Marktbeobachtung ist notwendig, um die Aktualität der Materialklassen sicherzustellen.
Komplexitätsrisiken
Zu detaillierte Klassifizierungssysteme können die operative Handhabung erschweren und zu Ineffizienzen führen. Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Detailgrad und praktischer Anwendbarkeit ist entscheidend für den Erfolg der Einkaufsorganisation.
Praxisbeispiel
Ein Automobilzulieferer klassifiziert seine 15.000 Beschaffungspositionen neu: Elektronikkomponenten (A-Material, strategisch) erhalten intensive Lieferantenpartnerschaften, Standardschrauben (C-Material, unkritisch) werden über E-Kataloge automatisiert beschafft. Speziallegierungen werden als Engpassmaterial identifiziert und durch Dual-Sourcing abgesichert. Das Ergebnis: 12% Kosteneinsparung und 30% weniger Lieferausfälle binnen eines Jahres.
- Systematische Neubewertung aller Materialien nach Kraljic-Matrix
- Entwicklung klassenspezifischer Beschaffungsstrategien
- Implementierung automatisierter Beschaffungsprozesse für C-Materialien
Aktuelle Entwicklungen und Auswirkungen
Die Klassifizierung von Materialien entwickelt sich durch technologische Innovationen und veränderte Marktbedingungen kontinuierlich weiter.
KI-gestützte Klassifizierung
Künstliche Intelligenz revolutioniert die Materialklassifizierung durch automatisierte Mustererkennung und prädiktive Analysen. KI im Einkauf ermöglicht eine dynamische Anpassung der Klassifizierung basierend auf Echtzeitdaten und Marktveränderungen.
Nachhaltigkeitskriterien
ESG-Faktoren (Environmental, Social, Governance) werden zunehmend in die Materialklassifizierung integriert. Das Lieferkettengesetz verstärkt diese Entwicklung und macht Nachhaltigkeitsaspekte zu einem strategischen Klassifizierungskriterium.
Supply Chain Resilience
Geopolitische Unsicherheiten und Lieferkettenunterbrechungen führen zu einer Neubewertung traditioneller Klassifizierungsansätze. Supply Chain Resilience Management wird zu einem zentralen Kriterium für die Materialklassifizierung.
Fazit
Materialklassen sind ein unverzichtbares Instrument für strategisches Beschaffungsmanagement und ermöglichen eine differenzierte Herangehensweise an verschiedene Beschaffungsobjekte. Die kontinuierliche Weiterentwicklung durch digitale Technologien und die Integration von Nachhaltigkeitskriterien machen sie zu einem dynamischen Steuerungsinstrument. Erfolgreiche Unternehmen nutzen Materialklassen als Grundlage für datenbasierte Entscheidungen und optimieren dadurch sowohl Kosten als auch Versorgungssicherheit nachhaltig.
FAQ
Wie oft sollten Materialklassen überprüft werden?
Eine jährliche Grundüberprüfung ist empfehlenswert, bei volatilen Märkten oder strategischen Materialien auch quartalsweise. Automatisierte Systeme können kontinuierliche Überwachung und Anpassungen ermöglichen, um auf Marktveränderungen zeitnah zu reagieren.
Welche Kriterien sind für die Klassifizierung am wichtigsten?
Beschaffungsvolumen, Versorgungsrisiko und strategische Bedeutung bilden die Grundpfeiler. Zusätzlich gewinnen Nachhaltigkeitsaspekte, Technologiekomplexität und Lieferantenverfügbarkeit an Bedeutung für eine zukunftsorientierte Klassifizierung.
Wie viele Materialklassen sind optimal?
Vier bis sechs Hauptklassen haben sich in der Praxis bewährt, da sie ausreichend Differenzierung bei handhabbarer Komplexität bieten. Zu viele Klassen erschweren die operative Umsetzung, zu wenige reduzieren die strategische Steuerungsmöglichkeit.
Was sind typische Fehler bei der Materialklassifizierung?
Häufige Fehler umfassen die ausschließliche Fokussierung auf Volumen, Vernachlässigung von Marktrisiken und statische Klassifizierungen ohne regelmäßige Updates. Auch die mangelnde Abstimmung zwischen Einkauf und Fachabteilungen führt oft zu suboptimalen Ergebnissen.



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