Einkaufslexikon
Forfaitierung: Definition, Prozess und Anwendung im Einkauf
November 19, 2025
Forfaitierung ist ein wichtiges Finanzierungsinstrument im internationalen Handel, das Unternehmen dabei unterstützt, Liquiditätsrisiken zu minimieren und Zahlungsausfälle abzusichern. Durch den Verkauf von Forderungen an spezialisierte Finanzinstitute können Exporteure sofortige Liquidität erhalten und gleichzeitig das Kreditrisiko auf den Forfaiteur übertragen. Erfahren Sie im Folgenden, was Forfaitierung genau bedeutet, wie der Prozess abläuft und welche strategischen Vorteile sich für den Einkauf ergeben.
Key Facts
- Forfaitierung ermöglicht den regresslosen Verkauf von Exportforderungen an Finanzinstitute
- Typische Laufzeiten liegen zwischen 6 Monaten und 7 Jahren bei Mindestvolumen von 100.000 Euro
- Das Kreditrisiko wird vollständig auf den Forfaiteur übertragen, nicht nur das Zahlungsrisiko
- Hauptsächlich bei Kapitalguterexporten und Projektfinanzierungen eingesetzt
- Erfordert bankakzeptierte Sicherheiten wie Wechsel oder Garantien
Inhalt
Was ist Forfaitierung? Definition und Ablauf des Prozesses
Forfaitierung stellt eine spezialisierte Form der Exportfinanzierung dar, die sich von anderen Finanzierungsinstrumenten durch ihre Regresslosigkeit unterscheidet.
Grundlagen und Charakteristika
Bei der Forfaitierung verkauft ein Exporteur seine mittel- bis langfristigen Forderungen gegen einen Importeur an einen Forfaiteur. Der Verkauf erfolgt ohne Rückgriff (à forfait), wodurch das gesamte Kreditrisiko auf das Finanzinstitut übergeht. Die Forderungen müssen durch bankakzeptierte Sicherheiten wie Bankgarantien oder Wechsel abgesichert sein.
Forfaitierung vs. Factoring
Im Gegensatz zum Factoring konzentriert sich Forfaitierung auf internationale Geschäfte mit längeren Laufzeiten und höheren Volumina. Während Factoring im Einkauf oft kurzfristige Forderungen umfasst, eignet sich Forfaitierung besonders für Kapitalguterexporte mit Zahlungszielen von mehreren Jahren.
Bedeutung der Forfaitierung im Einkauf
Für Einkaufsorganisationen bietet Forfaitierung strategische Vorteile bei der Lieferantenfinanzierung und Risikominimierung. Durch die Übertragung von Zahlungsrisiken können Unternehmen ihre Bilanzstruktur optimieren und gleichzeitig Lieferanten attraktive Finanzierungslösungen anbieten.
Prozessschritte und Verantwortlichkeiten
Der Forfaitierungsprozess erfordert eine strukturierte Herangehensweise mit klar definierten Schritten und Verantwortlichkeiten zwischen allen Beteiligten.
Vorbereitung und Dokumentation
Zunächst müssen alle erforderlichen Dokumente vorbereitet werden, einschließlich Handelsverträge, Lieferdokumente und Sicherheiten. Die Forderungen müssen durch bankakzeptierte Instrumente wie Wechselkursklauseln oder Garantien abgesichert sein. Eine sorgfältige Prüfung der Bonität des Importeurs und seines Landes ist essentiell.
Verhandlung und Vertragsabschluss
Der Forfaitierungssatz wird basierend auf Laufzeit, Währung, Länderrisiko und Sicherheiten verhandelt. Die Konditionen umfassen typischerweise einen Diskontierungssatz plus Risikoaufschlag. Parallel zur Vorkasse bietet Forfaitierung eine alternative Finanzierungsstruktur mit geringerem Liquiditätsbedarf für den Käufer.
Abwicklung und Übertragung
Nach Vertragsabschluss erfolgt die Übertragung der Forderungen durch Indossament oder Zession. Der Forfaiteur zahlt den Diskontbetrag aus und übernimmt alle weiteren Inkassoaktivitäten. Die Integration in bestehende Zahlungspläne erfordert entsprechende Anpassungen der internen Prozesse.

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Wichtige KPIs für Forfaitierung
Die Erfolgsmessung von Forfaitierungsaktivitäten erfordert spezifische Kennzahlen, die sowohl finanzielle als auch operative Aspekte berücksichtigen.
Kosteneffizienz-Kennzahlen
Der Forfaitierungssatz im Verhältnis zu alternativen Finanzierungskosten zeigt die Wirtschaftlichkeit auf. Zusätzlich sollten Transaktionskosten, Bearbeitungsgebühren und versteckte Kosten erfasst werden. Ein Vergleich mit Skonto-Konditionen und anderen Finanzierungsinstrumenten ermöglicht fundierte Entscheidungen.
Risiko- und Liquiditätskennzahlen
Die Ausfallquote forfaitierter Forderungen und die durchschnittliche Bearbeitungszeit sind wichtige Indikatoren. Das Verhältnis von forfaitierten zu gesamten Exportforderungen zeigt den Abdeckungsgrad. Die Liquiditätswirkung sollte in Relation zu anderen Payment Terms bewertet werden.
Operative Effizienz-Metriken
Die Durchlaufzeit von der Anfrage bis zur Auszahlung und die Ablehnungsquote von Forfaitierungsanträgen messen die operative Effizienz. Die Anzahl der Nachfragen und Korrekturen pro Transaktion zeigt die Qualität der internen Prozesse. Integration mit Dynamic Discounting-Systemen kann zusätzliche Effizienzgewinne ermöglichen.
Risiken, Abhängigkeiten und Gegenmaßnahmen
Obwohl Forfaitierung Risiken auf den Forfaiteur überträgt, entstehen neue Abhängigkeiten und potenzielle Problemfelder, die sorgfältig gemanagt werden müssen.
Kostenrisiken und Marktvolatilität
Forfaitierungskosten können erheblich schwanken, abhängig von Zinsniveau, Länderrisiko und Marktliquidität. Unternehmen sollten alternative Finanzierungsquellen wie Early Payment Programme parallel entwickeln. Eine diversifizierte Finanzierungsstrategie reduziert die Abhängigkeit von einzelnen Instrumenten.
Dokumentations- und Compliance-Risiken
Fehlerhafte oder unvollständige Dokumentation kann zur Ablehnung der Forfaitierung führen. Besonders bei komplexen internationalen Transaktionen mit verschiedenen Wechselkursfixierungen steigt das Fehlerrisiko. Standardisierte Prozesse und regelmäßige Schulungen minimieren diese Gefahr.
Liquiditäts- und Timing-Risiken
Die Verfügbarkeit von Forfaitierungskapazitäten kann sich schnell ändern, besonders in Krisenzeiten. Unternehmen sollten langfristige Rahmenverträge abschließen und alternative Liquiditätsquellen wie Kreditlimits bei Lieferanten vorhalten. Eine enge Abstimmung mit der Treasury-Abteilung ist essentiell.
Praxisbeispiel
Ein deutscher Maschinenbauunternehmen exportiert eine Produktionsanlage im Wert von 2 Millionen Euro nach Brasilien mit einer Zahlungsfrist von 3 Jahren. Aufgrund des Länderrisikos und der langen Laufzeit entscheidet sich das Unternehmen für eine Forfaitierung. Der brasilianische Importeur stellt eine Bankgarantie seiner Hausbank bereit. Der deutsche Exporteur verkauft die Forderung an einen Forfaiteur für 1,75 Millionen Euro, wodurch er sofortige Liquidität erhält und das Ausfallrisiko eliminiert.
- Sofortige Liquiditätsverbesserung um 1,75 Millionen Euro
- Vollständige Risikoübertragung auf den Forfaiteur
- Möglichkeit zur Reinvestition in neue Projekte
Aktuelle Entwicklungen und Auswirkungen
Die Forfaitierungsbranche unterliegt kontinuierlichen Veränderungen durch technologische Innovationen, regulatorische Entwicklungen und veränderte Marktbedingungen.
Digitalisierung und Automatisierung
Moderne Forfaitierungsplattformen nutzen künstliche Intelligenz für Risikobewertungen und Preisfindung. Blockchain-Technologie ermöglicht transparentere Dokumentationsprozesse und reduziert Bearbeitungszeiten erheblich. Diese Entwicklungen führen zu effizienteren Abläufen und niedrigeren Transaktionskosten für alle Beteiligten.
ESG-Kriterien und nachhaltige Finanzierung
Forfaiteure integrieren zunehmend Environmental, Social und Governance-Kriterien in ihre Bewertungsprozesse. Nachhaltige Projekte erhalten bevorzugte Konditionen, während umweltschädliche Geschäfte höhere Risikoaufschläge tragen. Diese Entwicklung beeinflusst auch die Gestaltung von Supply Chain Finance-Programmen.
Regulatorische Anpassungen
Verschärfte Compliance-Anforderungen und Anti-Geldwäsche-Bestimmungen erhöhen den Dokumentationsaufwand. Gleichzeitig entstehen neue Möglichkeiten durch regulatorische Erleichterungen für KMU-Finanzierungen. Die Integration mit Reverse Factoring-Lösungen wird dadurch komplexer, aber auch standardisierter.
Fazit
Forfaitierung stellt ein wertvolles Finanzierungsinstrument für internationale Geschäfte dar, das Unternehmen dabei unterstützt, Liquiditätsrisiken zu minimieren und Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Die regresslose Übertragung von Forderungen ermöglicht eine optimierte Bilanzstruktur und reduziert das Working Capital erheblich. Trotz höherer Kosten im Vergleich zu anderen Finanzierungsinstrumenten überwiegen die strategischen Vorteile, insbesondere bei komplexen internationalen Projekten mit längeren Laufzeiten. Eine sorgfältige Abwägung der Kosten-Nutzen-Relation und die Integration in eine ganzheitliche Finanzierungsstrategie sind für den erfolgreichen Einsatz entscheidend.
FAQ
Was unterscheidet Forfaitierung von anderen Finanzierungsinstrumenten?
Forfaitierung ist regresslos, das heißt der Verkäufer trägt kein Ausfallrisiko mehr. Im Gegensatz zu Factoring konzentriert sich Forfaitierung auf mittel- bis langfristige internationale Geschäfte mit höheren Volumina und erfordert bankakzeptierte Sicherheiten. Die Mindestlaufzeit beträgt typischerweise 6 Monate.
Welche Voraussetzungen müssen für eine Forfaitierung erfüllt sein?
Die Forderung muss durch bankakzeptierte Sicherheiten wie Wechsel, Garantien oder Akkreditive abgesichert sein. Das Mindestvolumen liegt meist bei 100.000 Euro, die Laufzeit zwischen 6 Monaten und 7 Jahren. Der Schuldner sollte eine ausreichende Bonität aufweisen und aus einem akzeptablen Land stammen.
Wie werden die Kosten der Forfaitierung berechnet?
Die Forfaitierungskosten setzen sich aus dem Basiszinssatz, einem Länderrisikoaufschlag, einem Bankenrisikoaufschlag und einer Gewinnmarge zusammen. Zusätzlich fallen Bearbeitungsgebühren und eventuelle Währungskosten an. Die Gesamtkosten liegen typischerweise 2-6 Prozentpunkte über dem Referenzzinssatz.
Welche strategischen Vorteile bietet Forfaitierung für den Einkauf?
Forfaitierung ermöglicht eine verbesserte Bilanzstruktur durch Off-Balance-Sheet-Finanzierung und reduziert das Working Capital. Unternehmen können längere Zahlungsziele anbieten und dadurch Wettbewerbsvorteile erzielen. Gleichzeitig wird das Forderungsmanagement an Spezialisten ausgelagert, was interne Ressourcen freisetzt.



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