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Einkaufslexikon

First Article Inspection (FAI): Definition, Prozess und Bedeutung im Einkauf

November 19, 2025

First Article Inspection (FAI) ist ein kritischer Qualitätssicherungsprozess in der Beschaffung, bei dem das erste produzierte Teil einer neuen Serie umfassend geprüft wird. Diese systematische Erstprüfung stellt sicher, dass Lieferanten die vereinbarten Spezifikationen erfüllen, bevor die Serienproduktion beginnt. Erfahren Sie im Folgenden, was FAI genau bedeutet, wie der Prozess funktioniert und welche strategische Bedeutung er für das Qualitätsmanagement im Einkauf hat.

Key Facts

  • FAI prüft das erste Serienteil vollständig gegen alle Spezifikationen und Zeichnungsanforderungen
  • Der Prozess reduziert Qualitätsrisiken und verhindert kostspielige Nacharbeiten in der Serienproduktion
  • FAI ist besonders in der Automobilindustrie und Luftfahrt als Standard etabliert
  • Die Dokumentation erfolgt standardisiert und dient als Nachweis der Prozessfähigkeit
  • Erfolgreiche FAI ist Voraussetzung für die Serienfreigabe und Produktionsstart

Inhalt

Was ist First Article Inspection (FAI)?

First Article Inspection bezeichnet die vollständige Prüfung und Dokumentation des ersten produzierten Teils einer neuen Serie oder nach wesentlichen Prozessänderungen.

Kernelemente der FAI

Die FAI umfasst eine systematische Überprüfung aller kritischen Merkmale des ersten Serienbauteils. Dabei werden sämtliche Maße, Toleranzen, Materialspezifikationen und funktionale Anforderungen gegen die technischen Zeichnungen und Spezifikationen geprüft. Die Erstbemusterung dokumentiert jeden Prüfschritt detailliert und erstellt einen vollständigen Nachweis der Konformität.

FAI vs. Wareneingangsprüfung

Im Gegensatz zur routinemäßigen Wareneingangsprüfung erfolgt FAI nur einmalig zu Serienbeginn und prüft 100% aller spezifizierten Merkmale. Während Stichprobenprüfungen laufende Qualität überwachen, validiert FAI die grundsätzliche Prozessfähigkeit des Lieferanten.

Bedeutung von FAI im Einkauf

Für Einkäufer stellt FAI ein entscheidendes Instrument zur Lieferantenqualifizierung dar. Der Prozess minimiert Beschaffungsrisiken und schafft Vertrauen in neue Lieferbeziehungen. Durch die systematische Validierung werden teure Qualitätsprobleme in der Serienproduktion vermieden und die Qualitätskosten nachhaltig reduziert.

Vorgehen: So funktioniert FAI

Der FAI-Prozess folgt einem strukturierten Ablauf von der Planung bis zur finalen Freigabe der Serienproduktion.

Vorbereitung und Planung

Die FAI beginnt mit der Definition aller zu prüfenden Merkmale basierend auf technischen Zeichnungen und Spezifikationen. Ein detaillierter Control Plan legt fest, welche Prüfmittel verwendet werden und welche Toleranzen einzuhalten sind. Die Prüfplanung berücksichtigt auch kritische Sicherheitsmerkmale und funktionale Anforderungen.

Durchführung der Prüfung

Das erste Serienteil wird vollständig vermessen und gegen alle Spezifikationen geprüft. Dabei kommen kalibrierte Prüfmittel zum Einsatz, deren Eignung durch MSA-Studien nachgewiesen ist. Jeder Prüfschritt wird dokumentiert und die Messergebnisse in standardisierten Formularen erfasst.

Dokumentation und Freigabe

Die vollständige FAI-Dokumentation umfasst Messprotokolle, Materialzertifikate und Prozessnachweise. Nach erfolgreicher Prüfung erfolgt die Serienfreigabe durch den Kunden. Bei Abweichungen müssen Korrekturmaßnahmen eingeleitet und eine erneute FAI durchgeführt werden.

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Wichtige KPIs und Zielgrößen

Kennzahlen zur FAI-Performance ermöglichen die kontinuierliche Verbesserung der Qualitätssicherungsprozesse und Lieferantenbeurteilung.

FAI-Erfolgsquote

Die Quote erfolgreicher FAI beim ersten Versuch zeigt die Qualität der Lieferantenprozesse und Vorbereitung. Hohe Erfolgsquoten über 90% deuten auf stabile Prozesse und gute Zusammenarbeit hin. Niedrige Werte erfordern Analyse der Ursachen und gezielte Verbesserungsmaßnahmen beim Lieferanten.

Durchlaufzeit FAI-Prozess

Die Zeit von der ersten Teilelieferung bis zur finalen Freigabe beeinflusst direkt die Time-to-Market neuer Produkte. Benchmark-Werte liegen je nach Komplexität zwischen 5-15 Arbeitstagen. Verzögerungen durch unvollständige Dokumentation oder Nachprüfungen sollten systematisch analysiert und reduziert werden.

Kosten pro FAI

Die Gesamtkosten für FAI-Durchführung inklusive interner und externer Aufwände ermöglichen Effizienzvergleiche zwischen Lieferanten. Standardisierte Prozesse und digitale Tools reduzieren die Kosten pro FAI um bis zu 30%. Die Qualitätskosten sollten gegen vermiedene Fehlerkosten in der Serie abgewogen werden.

Prozessrisiken und Gegenmaßnahmen bei FAI

Trotz sorgfältiger Planung können verschiedene Risiken den FAI-Prozess beeinträchtigen und zu Verzögerungen oder Qualitätsproblemen führen.

Unvollständige Prüfspezifikationen

Fehlende oder unklare Prüfanweisungen führen zu inkonsistenten FAI-Ergebnissen und Interpretationsspielräumen. Unvollständige technische Zeichnungen oder widersprüchliche Spezifikationen verzögern den Freigabeprozess. Präventiv sollten alle Prüfmerkmale eindeutig definiert und mit dem Lieferanten abgestimmt werden.

Prüfmittelfehler und Messunsicherheit

Unkalibrierte oder ungeeignete Prüfmittel verfälschen FAI-Ergebnisse und können zu Fehlentscheidungen führen. Hohe Messunsicherheit macht Grenzwertentscheidungen schwierig und erhöht das Risiko von Qualitätsproblemen. Regelmäßige Prüfmittelkalibrierung und Gage-R&R-Studien minimieren diese Risiken.

Zeitdruck und Ressourcenmangel

Enge Projekttermine verleiten zu oberflächlichen FAI-Prüfungen und unvollständiger Dokumentation. Personalmangel oder fehlende Expertise beim Lieferanten gefährden die Qualität der Erstprüfung. Frühzeitige Planung und ausreichende Ressourcenallokation sind entscheidend für erfolgreiche FAI-Durchführung.

First Article Inspection (FAI): Definition und Prozess im Einkauf

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Praxisbeispiel

Ein Automobilzulieferer führt FAI für ein neues Bremsscheiben-Gussteil durch. Das erste Serienteil wird vollständig gegen 47 spezifizierte Merkmale geprüft, einschließlich kritischer Maße für Bremsleistung und Sicherheit. Die Prüfung erfolgt mit kalibrierten 3D-Koordinatenmessgeräten und dokumentiert jeden Messwert in einem standardisierten FAI-Bericht. Nach erfolgreicher Validierung aller Spezifikationen erteilt der OEM die Serienfreigabe für die monatliche Produktion von 50.000 Stück.

  • Vollständige Dokumentation aller 47 Prüfmerkmale mit Messwerten und Toleranzen
  • Materialzertifikat bestätigt geforderte Gusseisen-Spezifikation GG-25
  • Prozessnachweis der Wärmebehandlung mit Härtewerten nach Vorgabe

Aktuelle Entwicklungen und Auswirkungen

Die Digitalisierung und neue Technologien verändern die FAI-Prozesse grundlegend und schaffen neue Möglichkeiten für effizientere Qualitätssicherung.

Digitale FAI-Systeme

Moderne Software-Lösungen automatisieren die FAI-Dokumentation und ermöglichen papierlose Prozesse. Digitale Systeme verknüpfen Messdaten direkt mit CAD-Modellen und erstellen automatisch konforme Berichte. Die Integration in bestehende ERP-Systeme beschleunigt die Freigabeprozesse erheblich.

KI-gestützte Qualitätsprüfung

Künstliche Intelligenz revolutioniert die FAI durch automatisierte Bildauswertung und Mustererkennung. KI-Systeme können komplexe Geometrien präziser prüfen als herkömmliche Methoden und identifizieren potenzielle Qualitätsprobleme frühzeitig. Machine Learning optimiert kontinuierlich die Prüfstrategien basierend auf historischen Daten.

Blockchain für Rückverfolgbarkeit

Blockchain-Technologie schafft unveränderliche FAI-Dokumentation und verbessert die Traceability in komplexen Lieferketten. Smart Contracts können automatisch Freigaben erteilen, wenn alle FAI-Kriterien erfüllt sind. Diese Technologie stärkt das Vertrauen zwischen Lieferanten und Kunden nachhaltig.

Fazit

First Article Inspection ist ein unverzichtbares Instrument zur Qualitätssicherung in der Beschaffung, das Risiken minimiert und Vertrauen in Lieferantenbeziehungen schafft. Die systematische Validierung des ersten Serienbauteils verhindert kostspielige Qualitätsprobleme und stellt die Prozessfähigkeit sicher. Moderne digitale Technologien und KI-Unterstützung machen FAI-Prozesse effizienter und präziser. Für Einkäufer bleibt FAI ein strategisches Werkzeug zur nachhaltigen Qualitätssicherung und Lieferantenentwicklung.

FAQ

Was unterscheidet FAI von einer normalen Qualitätsprüfung?

FAI prüft 100% aller spezifizierten Merkmale des ersten Serienbauteils, während normale Qualitätsprüfungen meist stichprobenbasiert erfolgen. Die FAI-Dokumentation ist umfassender und dient als Nachweis der grundsätzlichen Prozessfähigkeit des Lieferanten für die gesamte Serienlaufzeit.

Wann ist eine neue FAI erforderlich?

Eine neue FAI wird bei wesentlichen Prozessänderungen, Werkzeugwechsel, Materialänderungen oder nach längeren Produktionspausen notwendig. Auch bei Lieferantenwechsel oder Standortverlagerungen muss eine vollständige FAI durchgeführt werden, um die Prozessstabilität zu validieren.

Wie lange dauert eine typische FAI?

Die Durchlaufzeit variiert je nach Teilekomplexität zwischen 5-15 Arbeitstagen. Einfache Teile mit wenigen Prüfmerkmalen können in 2-3 Tagen abgeschlossen werden, während komplexe Baugruppen mit umfangreichen Funktionsprüfungen bis zu 3 Wochen benötigen können.

Welche Kosten entstehen durch FAI?

FAI-Kosten setzen sich aus Prüfaufwand, Dokumentation und eventuellen externen Laborkosten zusammen. Typische Kosten liegen zwischen 500-5.000 Euro pro Teil, abhängig von Komplexität und Prüfumfang. Diese Investition amortisiert sich durch vermiedene Qualitätsprobleme in der Serienproduktion.

First Article Inspection (FAI): Definition und Prozess im Einkauf

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