Was bedeutet die US-Wahl für die Lieferkettenstrategie? Der Einkauf bleibt flexibel! In Zeiten geopolitischer Spannungen, Zöllen und protektionistischer Maßnahmen wird der Einkauf im Mittelstand mehr denn je zum Dreh- und Angelpunkt für Resilienz.
In unserem exklusiven Live-Webinar "Die Auswirkungen der US-Präsidentschaftswahl auf den Einkauf: Eine Diskussionsrunde mit Broetje-Automation & Neuenhauser" wurde ein zentrales Thema aufgegriffen, das derzeit viele Einkäufer und Entscheidungsträger im Mittelstand beschäftigt: die Folgen der USA-Wahl und die angekündigten protektionistischen Maßnahmen der neuen Administration. Karoline Rückerl (Kundenentwicklung bei Tacto) diskutierte mit Matthias Bohmann (Head of Procurement bei Broetje-Automation) und Ingmar Albers (Einkaufsleiter bei Neuenhauser), wie sich potenzielle Handelskonflikte auf die Einkaufsstrategie und die Lieferketten des Mittelstands auswirken könnten.
In der Diskussionsrunde wurden die aktuellen politischen Entwicklungen in den USA unter die Lupe genommen. Insbesondere die angekündigten Strafzölle von 10 bis 20 % für europäische Importe und bis zu 60 % für Produkte aus China wurden als zentrale Risiken identifiziert, die mittelständische Unternehmen betreffen könnten. Dies würde für Unternehmen nicht nur einen Kostenanstieg, sondern möglicherweise auch eine langfristige Destabilisierung der internationalen Lieferketten bedeuten.
Die Experten waren sich einig, dass solche Entwicklungen bereits aus früheren Erfahrungen – etwa den Zöllen der Trump-Administration 2016 – bekannt sind und dass Unternehmen im Mittelstand sich darauf vorbereiten müssen. Die Auswirkungen sind allerdings je nach Unternehmensfokus und Region unterschiedlich: Während sich die Neuenhauser Unternehmensgruppe primär auf europäische und deutsche Lieferanten stützt und deshalb von direkten Auswirkungen der US-Wahl weniger betroffen ist, hat Broetje-Automation bereits Anpassungen vorgenommen, um flexibler auf Veränderungen reagieren zu können. So ist das Unternehmen mit einem Standort in Chicago und einer erweiterten Lieferantenbasis in den USA strategisch gut aufgestellt.
Ein weiterer zentraler Aspekt der Diskussion drehte sich um China und die Möglichkeit einer Zuspitzung des Konflikts zwischen den USA und China. China spielt für viele deutsche Unternehmen eine wesentliche Rolle in der Beschaffung – doch die Abhängigkeit von chinesischen Lieferanten bringt Risiken mit sich. Während Herr Albers betonte, dass der Sondermaschinenbau bei Neuenhauser aufgrund geringer Stückzahlen weniger von chinesischen Lieferanten abhängig ist, unterstrich Herr Bohmann die Wichtigkeit der regionalen Diversifizierung. So haben beide Unternehmen ihre Lieferketten so ausgerichtet, dass alternative Lieferanten aus Europa, den USA und zunehmend auch aus Indien oder dem Nahen Osten für eine breitere Absicherung der Lieferkette sorgen.
Im Hinblick auf den Konflikt zwischen China und Taiwan wurde deutlich, dass eine Eskalation in der Region, insbesondere durch Sanktionen auf Bauteile oder Chips, weitreichende Konsequenzen auf die Elektronikbranche haben könnte. Auch hier betonten die Teilnehmer, wie wichtig es ist, die Lieferantenbasis zu erweitern und flexible Alternativen für alle eventuellen Szenarien im Einkauf zu haben.
1. Multi-sourcing
Eine diversifizierte Lieferantenbasis ist von entscheidender Bedeutung, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Durch die Auswahl mehrerer Lieferanten für ein Produkt lassen sich Abhängigkeiten reduzieren und Risiken minimieren. Dies wurde im Webinar als zentraler Ansatz für die Sicherstellung der Lieferfähigkeit hervorgehoben.
2. Erhöhung der Lagerbestände für kritische Materialien
Unternehmen sollten, wo möglich, Lagerkapazitäten für essentielle Güter und Bauteile erweitern, um Produktionsunterbrechungen vorzubeugen. Dies stellt jedoch ein Investitionsrisiko dar, das von Unternehmen abhängig von ihrer finanziellen Flexibilität bedacht werden sollte.
3. Gezielte Kostenanalyse und flexible Zahlungs- und Lieferkonditionen
Um den Kostendruck langfristig zu reduzieren, sind systematische Kostenanalysen hilfreich. Damit lassen sich Einkaufsvolumina und Kostentreiber identifizieren und gezielt ansprechen, z. B. durch Verhandlungen mit Lieferanten über flexiblere Zahlungskonditionen.
4. Transparenz und Risikoreduzierung:
Tools wie Tacto bieten den Vorteil, dass Unternehmen Risiken über die gesamte Lieferkette hinweg transparent machen und gezielt steuern können. Eine zentrale Datenplattform hilft dabei, die relevanten Kennzahlen aller Lieferanten schnell zu überblicken und entsprechend strategische Entscheidungen zu treffen.
Die angespannte geopolitische Lage und der zunehmende Protektionismus stellen den Mittelstand vor große Herausforderungen im Einkauf. Die zentralen Diskussionen im Webinar machten deutlich, wie wichtig es ist, flexibel auf globale Veränderungen zu reagieren und gleichzeitig strategische Maßnahmen zu ergreifen, um Lieferketten resilienter und kosteneffizienter zu gestalten. In diesem Kontext gewinnen SRM-Systeme (Supplier Relationship Management) an Bedeutung, die es Unternehmen ermöglichen, relevante Daten effektiv zu nutzen, Risiken zu erkennen und Kosten zu senken.
In Zukunft wird die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit im Einkauf entscheidend sein, um Unternehmen auch unter erschwerten Bedingungen erfolgreich auf dem globalen Markt zu positionieren.